Bundesanzeiger 2.0 oder Stalking für Firmen
Den Begriff Digitalkaufmann habe ich mir damals als Blogger-Pseudonym nicht nur deswegen einfallen lassen, weil es lustig klingt – sondern auch, weil ich finde, dass sich auch im digitalen Zeitalter die traditionellen Tugenden und Verpflichtungen eines ehrbaren Kaufmannes mitnichten erübrigt haben. Für einen guten Kaufmann hat es sich beispielsweise seit jeher gehört, sich über potenzielle Geschäftspartner gründlich zu informieren, damit man bei der Kontaktaufnahme weiß, mit wem man es zu tun hat. Globale Geschäfte in Echtzeit machen eine umfassende Auskunft heute nicht unwichtiger, sondern für alle Stakeholder noch viel relevanter. Egal ob Geschäftsbeziehung, zukünftiger Arbeitgeber oder Konkurrent – mehr über die Unternehmen und die dahinter stehenden Personen zu erfahren ist immer wertvoll.
Zu Zeiten der holzgetäfelten Kontorräume in schiefen Fachwerkhäusern führten Geschäftsleute, die neu in Hamburg waren, Empfehlungsschreiben mit sich. Und schon immer haben sich Gesprächspartner bei Dritten vertraulich nach dem Ruf ihres Gegenübers erkundigt. Im 19. und 20. Jahrhundert entwickelten dann die Geschäftswelt und die Zentralstaaten Instrumente, die dazu dienten, Hochstaplern und Serienpleitiers das Leben schwer zu machen. So gibt es heutzutage Firmenpflichtveröffentlichungen, die in Zeitungen und/oder dem Bundesanzeiger, dem Handelsregister usw. erscheinen müssen.
Der Gedanke ist nach wie vor gut: Finanzdaten, Inhaberstrukturen, usw. sollen alles transparent dargelegt werden. Die Ausführung ist allerdings – nett ausgedrückt: etwas in die Jahre gekommen. Wer schon versucht hat, den Bundesanzeiger für die Informationssuche zu benutzen, wird wissen, dass es nach allem anderen als nach Transparenz aussieht. Der Verlag Bundesanzeiger hat genau wie die Handelskammern, oder der öffentliche Rundfunk, über Jahre hinweg erfolgreich den Kundennutzen an zweite Stelle delegieren können, weil es sich um eine Pflichtveranstaltung handelt. Als Geschäftsmann auf der Suche nach Information (also: als Kunde) hat man daher nicht selten das Gefühl, man könnte genauso gut eine Auskunftei beauftragen – oder glatt einen zwielichtigen Trenchcoat-tragenden Detektiven samt belegter Raucherstimme, ollem 80er-Jahre-Mercedes und übergroßem Aktenkoffer.
Deswegen bin ich – wie so viele – ein großer Fan von Northdata. Das Angebot ist Deutschlands beliebtestes Portal für Firmeninformationen, denn es verarbeitet Firmenpflichtveröffentlichungen mit Methoden der Big-Data und der künstlichen Intelligenz, um sie zugänglicher und aufschlussreicher zu gestalten. Vor allem ist Northdata da zur Stelle, wo wir alle heutzutage nach Informationen über alles suchen: in den Suchergebnissen bei Google & Co. ganz weit oben. Kein Wunder, dass selbst Finanzbeamte regelmäßig da zugreifen, statt den eigenen, mühsamen Dienstweg zu gehen oder den Web-1.0-illgen Auftritt bundesanzeiger.de zu nehmen. Zumal sich die Daten von Northdata maschinell weiterverarbeiten und sogar hübsch visualisieren lassen.
Da hätte ein Kaufmann alten Schlages sicher ebenfalls zugegriffen (wenn es denn damals neben den Kupferröhren für Wasserhähne, durch die Aale schwammen, auch Kupferleitungen des Internets gegeben hätte…). Ja, mir gefällt diese neue Herangehensweise an eine uralte Idee so gut, dass ich dazu glatt ein Interview mit dem Gründer von Northdata Frank Felix Debatim geführt habe, um mehr darüber zu erfahren. Viel Spaß bei der Lektüre!
Was hat zur Entwicklung von North Data geführt? Und was war am Bundesanzeiger falsch?
Der Bundesanzeiger ist eine digitaler Friedhof für Firmenveröffentlichungen: Um einen wirklichen Überblick zu den Finanzdaten der letzten Jahre einer bestimmten Firma zu bekommen, kann man einen BWL-Studenten zwei Tage davor setzen. Bei uns gibt es das alles – und viel mehr – mit einem Mausklick. Wir verdichten die Informationen und zeigen das Wesentliche auf einen Blick. Einfach und verständlich für jeden. Daher haben wir auch so viele Visualisierungen.
Wozu benutzen Privatanwender bzw. Professionals eure Daten?
Uns nutzen viele Fintech-Startups: ich glaube, insbesondere wegen des unkomplizierten und leistungsfähigen API. Unsere echte Stärke ist die interaktive Recherche: Das ist insbesondere spannend für Corporate-Finance-Dienstleister, B2B und Key Account Vertrieb, Kanzleien, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater. Aber auch die Steuerfahndung und das Bundesamt für Finanzen gehören zu unseren eifrigsten Nutzern.
Wie verdient ihr Geld damit? Was ist euer Geschäftsmodell?
Wir bieten einen Premium Service an. Die Premium-Nutzer unserer Website bekommen zusätzliche Informationen und Funktionen, die nicht auf der öffentlichen Website zu finden sind, wie z.B. ausführliche Finanzdaten, und eine sehr leistungsfähige Suche, bei der man Firmen geographisch, nach Branchen, finanziellen Kennzahlen und Ereignissen filtern kann.
Unsere zweite Säule ist der Data-Service. Über ein leistungsfähiges API können Kunden unsere Daten und Visualisierungen in ihre Software integrieren. Manche Kunden haben die Daten auch lieber komplett in der eigenen Datenbank, für diese bieten wir einen Export im Quartals-Abo an.
Wie viele seid ihr und wo findet die Entwicklung statt?
Wir sind nur ein kleines Team, und arbeiten in Hamburg und Berlin vom Home-Office aus. Ich glaube, deutsche Startups setzen in der Entwicklung zu sehr auf Masse statt auf Klasse. Instagram hatte gerade den dritten Entwickler eingestellt, als sie von Facebook übernommen wurden. Das ist unser Vorbild.
Wie plant ihr das Tool bekannt zu machen? Bieten doch Bloomberg, Factset, Reuters etc. bereits eine Vielzahl von ähnlichen Services für Unternehmenskunden an, oder?
Wenn man auf Google Informationen zu deutschen Firmen sucht, findet man North Data! Nicht immer auf Platz Eins, aber immer öfter.
Veröffentlicht ihr etwas zu euren Kennzahlen (Datensätze, User, Umsätze usw.)?
Ich schäme mich fast das zu sagen, aber ich schaue nur selten auf Kennzahlen. Und auch nicht auf die Konkurrenz. Wichtig ist mir unser Produkt und das Feedback, was wir dazu erhalten. Andere in dem Markt bauen Produkte, mit dem sie ihre Nutzer maximal schröpfen können. Wir bauen ein Produkt, wie ich es selbst gerne nutzen würde. Was ich schon kennzahlenmäßig sagen kann: Seit Mitte 2017 sind wir profitabel.
Woher bezieht ihr eure Daten und wie haltet ihr die aktuell?
Es gibt nur ganz wenige „originäre“ Datenquellen. Die meisten Anbieter von Firmeninformationen kaufen Daten von anderen Anbietern ein. Irgendwo am Ende der Kette – ich glaube, in Indien – werden sie manuell zusammengestellt, und dann in Deutschland ergänzt: zum Beispiel durch Recherche von lokalen Büros.
Wir aber generieren die Daten komplett selber, durch Analyse der Pflichtveröffentlichungen der Firmen im Bundesanzeiger, Handelsregister und Insolvenzregister. Dieser Prozess ist vollautomatisiert. Das hört sich einfach an, ist es aber nicht! Die Veröffentlichungen werden nämlich von Menschen geschrieben, von Geschäftsführern, Steuerberatern, Notaren. Um das maschinell auszuwerten, benötigt man leistungsfähige Software, die an die Grenzen dessen geht, was auf dem aktuellen Stand der Technik möglich ist.
Gefühlt bezieht ihr euch viel auf Amtsgerichtsdaten – das heißt: Ihr achtet auf Geschäftsführer usw., aber weniger auf die Gesellschafterstruktur. Wie wollt ihr perspektivisch Northdata mit den weiteren Daten anreichern, die zur Analyse von Unternehmen spannend sind?
Die Gesellschafterdaten rückt das Handelsregister nur gegen Bezahlung heraus. Wir hätten sie wahnsinnig gerne, aber es rechnet sich unter dem Strich nicht. Allerdings gibt es in den Jahresberichten noch viel Informationen, die wir noch nicht auswerten, also zur Konzernstruktur, zum Aufsichtsrat, zur Vergütung, und vieles mehr. Das wird alles früher oder später kommen, ergänzt durch attraktive Visualisierungen.
Welches Feedback habt ihr bisher zur Datenqualität aus dem Markt erhalten?
In Podiumsdiskussionen wird oft der Vergleich gezogen zwischen manuell und automatisch gewonnen Firmendaten. Beide haben Stärken und Schwächen. Keines der Verfahren liefert 100% korrekte Daten. Aber unsere Qualität ist bereits mindestens gleichwertig, und die Aktualität ist bei der automatischen Verarbeitung natürlich deutlich höher.
Wie seid ihr auf die – meiner Meinung nach brillante, alleinstellungsmerkmaltaugliche – graphische Darstellung von Vernetzungen zwischen Firmen gekommen?
Die Panama Papers! Wir wollen ja Firmendaten mit Leben füllen – und die Vernetzungen und Verflechtungen zwischen Firmen und Personen ist das spannendste in der Wirtschaft überhaupt. Das schwierige an der Netzwerkdarstellung ist die Auswahl. Viele Firmen haben massenweise Querverbindungen. Welche davon sind die relevanten? Da steckt sehr viel Arbeit drin.
–> Zu guter letzt gibt es für die fleissigen Leser auch noch eine Belohnung nämlich 50% Discount auf den ersten Monat mit dem Code: „DIGITALKAUFMANN“
Über den Autor
Nils Seebach ist Autor und überzeugter Blogger bei Digitalkaufmann.de. Er hat sich auf die betriebswirtschaftliche Analyse und Einschätzung von digitalen Geschäftsmodellen spezialisiert.
Nils Seebach, thanks for the article post.Really thank you! Great.