Der richtige Riecher – Erfolg durch intuitives Handeln
Sie hat den richtigen Riecher bewiesen. Er kann sich auf sein Bauchgefühl verlassen. Sie hat ein Gespür für Entwicklungen und Trends. Er scheint oft spontan zu entscheiden. Sie hatte in dieser Sache eine Eingebung.
Aussagen dieser Art sind uns sehr vertraut. Sie spielen auf ein Phänomen an, dem wir immer wieder begegnen: Es gibt offensichtlich Professionals, die in ihrem Tun sehr erfolgreich sind, ohne jedoch sonderlich darüber nachzugrübeln. In diesem Zusammenhang sprechen wir häufig von Intuition. Expertinnen und Experten, die intuitiv handeln, scheinen ein Gespür dafür zu haben, welche Vorgehensweise in einer bestimmten Situation die richtige ist. Fragen wir sie jedoch nach ihren Erfolgsgeheimnissen, können sie uns hierauf oftmals keine zufriedenstellende Antwort geben.
Dies lässt uns mitunter skeptisch werden, da wir erwarten würden, dass Entscheidungsträger über ihr Vorgehen gründlich nachdenken und folglich auch wissen, was sie tun. So empfiehlt sich im Sinne der klassischen Entscheidungstheorie folgendes Vorgehen: Im Rahmen einer eingehenden Analyse werden zunächst alle Informationen und verfügbaren Optionen ermittelt. Liegen alle Fakten auf dem Tische, werden die verschiedenen Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen, woraufhin die beste Strategie ausgewählt wird. Gegenüber einer derart gründlichen und rationalen Vorgehensweise haben persönliche Intuitionen und Eingebungen offensichtlich das Nachsehen. Ein intuitives Vorgehen mag zwar gelegentlich zum Erfolg führen. Auf Dauer sollte man allerdings auf rationale Entscheidungsverfahren setzen. So zumindest die gängige Auffassung.
Wenden wir uns an dieser Stelle einem weiteren Phänomen zu: Kindern gelingt es offensichtlich eine Sprache zu erlernen, bevor sie sich bewusst mit der Grammatik auseinandersetzen. Sie haben die sprachlichen Regeln durch Eindrücke und Erfahrungen intuitiv verinnerlicht. Spannend an diesem Beispiel ist, dass diese Form des intuitiven Lernens ist nicht nur auf den sprachlichen Bereich begrenzt ist, sondern auch in anderen Kontexten auftritt. Nach Daniel Kahneman, Psychologe und Autor des Buches »Schnelles Denken, langsames Denken« müssen hierfür zwei Bedingungen erfüllt sein: Der betreffende Tätigkeitsbereich weist regelmäßige Zusammenhänge auf und es besteht die Möglichkeit, diese Zusammenhänge durch beständige Beobachtung und Übung zu verinnerlichen.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass zutreffende Intuitionen ihren Ursprung in implizit erworbenem Wissen haben. Wenn uns also jemand keine Erklärung für sein erfolgreiches Tun geben kann, sollte uns das nicht grundsätzlich an seinen Fähigkeiten zweifeln lassen. Die betreffenden Expertinnen und Experten verfügen über einen reichhaltigen Erfahrungsschatz, der ihre Entscheidungen leitet. Unter diesen Voraussetzungen sollten Bauchentscheidungen nicht leichtfertig abgetan werden, sondern angemessen berücksichtigt werden. Dies gilt gerade dann, wenn nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen und eine analytische Herangehensweise zu kurz greifen würde. Hier kann sich der richtige Riecher als überaus wertvoll erweisen. Entscheidend ist dann nicht, dass gute Gründe für das Handeln vorgebracht werden, sondern dass man auf die intuitive Expertise vertrauen kann.
Fortsetzung zu diesem Beitrag:
Intuition braucht Muster? Würde das bedeuten, dass – den richtigen Algorithmus vorausgesetzt – KI auch Intuition erlernen kann?