Intuitives Handeln: Die Kehrseite der Medaille
Im vorangegangenen Beitrag wurden die erfolgsversprechenden Seiten des intuitiven Handelns thematisiert. Hier wurde deutlich, dass Wissen oftmals unbewusst angeeignet wird, so dass es unter bestimmten Voraussetzungen hilfreich sein kann, den eigenen Intuitionen zu vertrauen. In diesem Beitrag gilt es nun die Kehrseite der Medaille zu betrachten.
Die negative Seite der Intuition besteht darin, dass wir neben implizitem Wissen zugleich über Vorurteile verfügen, die unserem Bewusstsein häufig verborgen bleiben. Anhand von Studien im Bereich des Recruitings wurde etwa ersichtlich, dass Job-Bewerberinnen und -bewerber mit fremdklingenden Namen seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden, als diejenigen mit vertraut klingenden Namen.
An dieser Stelle nun eine Moralpredigt zu halten, würde der Sache nicht gerecht werden. Es handelt sich zunächst einmal um statistische Auffälligkeiten, die nach einer Erklärung verlangen. Die Feststellung, dass die Verantwortlichen durchwegs über zweifelhafte moralische Ansichten verfügen, wäre hierbei sicherlich verfehlt. Vielmehr ist anzunehmen, dass die verantwortlichen Personen für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung eintreten und dies auch in ihrem eigenen Handeln anstreben. Dies kann also nicht als Erklärung herhalten. Aber worin liegt dann die Ursache?
Erkenntnisse aus dem Bereich der kognitiven Psychologie legen nahe, dass automatische kognitive Prozesse und soziales Lernen zu Vorurteilen und verzerrten Einschätzungen führen, die sich schließlich im eigenen Handeln bemerkbar machen. Gegen diese Prozesse ist zunächst einmal niemand immun. Sie sind gewissermaßen Teil unserer kognitiven Grundausstattung. Der Neurowissenschaftler Robert Sapolsky macht in diesem Zusammenhang etwa deutlich, dass Gesichter von Personen anderer ethnischer Herkunft in Teilen des Gehirns verarbeitet werden, die mit Furcht und Misstrauen assoziiert sind. Im unmittelbaren Aufeinandertreffen begegnen wir diesen Personen daher häufig distanziert oder abweisend. Entscheidend ist hierbei, dass solchen Reaktionen keine bewusste negative Einstellung zugrunde liegen muss. Sie geschehen vielmehr automatisch und entziehen sich daher unserem direkten Zugriff.
Die hieraus resultierenden Probleme sind dennoch offenkundig. So ist es eine Frage der Fairness, dass Bewerberinnen und Bewerber nach ihren Fähigkeiten beurteilt werden und nicht nach beliebigen Kriterien wie Herkunft oder Aussehen. Dieser Forderung würden die Verantwortlichen sicherlich zustimmen. In ihrem täglichen Handeln sind sie jedoch für die genannten automatischen Tendenzen anfällig, so dass die Entscheidungen schlussendlich eine gewisse Verzerrung aufweisen. Auch aus unternehmerischer Perspektive ist es von Nachteil, wenn nicht die geeignetsten Bewerberinnen und Bewerber ausgewählt werden, sondern beliebig andere Kriterien ausschlaggebend sind.
Wie lässt sich dem nun begegnen, wenn doch die zugrundeliegenden Prozesse zu unserer kognitiven Grundausstattung gehören? Zunächst einmal erscheint es von Bedeutung, ein Bewusstsein für das Auftreten impliziter Vorurteile zu schaffen. Ausgehend hiervon können die eigenen Einschätzungen nochmals reflektiert und auf mögliche Verzerrungen überprüft werden. Entscheidend ist, dass es sich hierbei um einen fortlaufenden Prozess handelt, da sich die genannten kognitiven Prozesse unbewusst vollziehen.
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