Digitale Arbeitswelt – Verheißung oder Alptraum?
Die Digitalisierung ist derzeit in aller Munde. Neben dem Ausbau des Breitband-Internets sind damit insbesondere neue Technologien wie das autonome Fahren, Pflegeroboter oder Formen der Künstlichen Intelligenz angesprochen. Einerseits werden diese Technologien als ein großes Zukunftsversprechen angesehen, da mit ihnen Hoffnungen auf einen müheloseren Alltag, die Lösung von gesellschaftlichen Problemen oder eine effizientere Produktionsweise verbunden sind, sodass schlussendlich ein größerer Wohlstand erreicht wird. Andererseits gehen mit technologischen Entwicklungen dieser Art stets auch Befürchtungen einher, dass eine große Anzahl von Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren könnte, da viele Tätigkeiten und Arbeitsschritte in Zukunft maschinell und computergestützt verrichtet werden.
Diese Befürchtungen erscheinen jedoch allzu pessimistisch. Auch in der Vergangenheit wurden schon ähnliche Szenarien ausgemalt, die sich jedoch allesamt als haltlos erwiesen, da der Einsatz neuer Technologien stets auch an menschliche Tätigkeiten gebunden war und darüber hinaus oftmals neue Formen der Erwerbsarbeit ermöglichte. Als Beispiel hierfür ließe sich etwa der Fall britischen Textilangestellten im 19. Jahrhunderts anführen, die erbost die neuen Webstühle in den Fabriken zerstörten, da sie hierin eine Bedrohung für ihr eigenes Auskommen erkannten. Dabei übersahen sie jedoch, dass der Einsatz von Webstühlen neue Arbeitsplätze an anderer Stelle hervorbrachte und die effizientere Arbeitsweise schließlich in eine Steigerung der Produktivität übersetzt wurde, anstatt die Anzahl der Angestellten in den Textilfabriken zu reduzieren.
Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage, ob diese Voraussetzungen auch für die Phase des gegenwärtigen Umbruchs gelten. Zunächst ist davon auszugehen, dass die voranschreitende Digitalisierung zahlreiche Berufsprofile maßgeblich verändern wird. In diesem Sinne erscheint es etwa dankbar, dass sich die Arbeit von Anwälten auf andere Schwerpunkte verlagert, wenn in Zukunft algorithmengestützte Systeme Einzug in die Rechtsberatung erhalten. Weiterhin wird die Ausbreitung digitaler Technologien eine Verlagerung der Arbeitstätigkeiten nach sich ziehen, wie dies auch in der Vergangenheit bereits der Fall war. Während mechanische Routineaufgaben zunehmend automatisiert werden, entstehen im Bereich der Technologieentwicklung neue Arbeitsplätze. Darüber hinaus eröffnen neue Technologien oftmals neue Anwendungsgebiete mit entsprechenden Beschäftigungsmöglichkeiten.
Dies sind Entwicklungen, die auch im Zeitalter der Digitalisierung zu einer Stabilisierung der Beschäftigungssituation beitragen können. Im Vergleich zu vergangenen technologischen Umbrüchen deuten sich bezüglich der gegenwärtigen Entwicklung jedoch wesentliche Unterschiede an. Während die technologischen Entwicklungen in der Vergangenheit vornehmlich dazu geeignet waren, manuelle Routinetätigkeiten zu ersetzen, ermöglichen die digitalisierten Produktionsanlagen auch die automatische Ausführung komplexer manueller Tätigkeiten. Darüber hinaus sind die entsprechenden Computersysteme zunehmend auch in der Lage, kognitive Aufgaben auf effiziente Art und Weise zu bewältigen. Dementsprechend dürften sich die Automatisierungstendenzen allmählich auch in Branchen bemerkbar machen, in denen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überwiegend kognitive Arbeiten verrichten, wie es etwa in der Finanzwirtschaft oder innerhalb des Verwaltungswesens der Fall ist. Kommen jedoch Roboter- und Computersysteme zunehmend auch in solchen Tätigkeitsbereichen zum Einsatz, die bislang noch exklusiv in menschlicher Hand waren, könnte die Rechnung der Beschäftigungsstabilität am Ende nicht mehr aufgehen, da durch die Digitalisierung tatsächlich mehr Arbeitsplätze verloren gehen, als neue hinzukommen.
Vor dem Hintergrund eines solchen Szenarios erscheint es nahliegend, eine Anpassungsstrategie für die eigene berufliche Zukunft zu verfolgen – insbesondere dann, wenn die persönliche Arbeitstätigkeit ohne größere Schwierigkeiten automatisiert werden könnte. Eine erste Reaktion könnte für den Einzelnen nun darin bestehen, sich nicht mehr länger nur auf eine berufliche Tätigkeit zu spezialisieren, sondern das eigene Leistungsspektrum auf verschiedene Arbeitsbereiche und Institutionen zu verteilen, um auf diese Weise zumindest eine gewisse Resilienz gegenüber den schnelllebigen Veränderungen der Arbeitswelt zu erlangen. Dies kann jedoch noch nicht das Ende einer Suche nach Antworten auf die Entwicklungen der Digitalisierung sein. Neben persönlichen Anpassungsstrategien gilt es daher auch politische Maßnahmen in den Blick zu nehmen, um einer zunehmend unsicheren Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern entgegenzuwirken. Dies bedeutet noch lange nicht, technologische Entwicklungen bewusst auszubremsen – Gedanken zur Existenzsicherung in einer digitalen Arbeitswelt sind jedoch allemal gefordert.
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