Emotionen wagen!
Ein Blick auf die derzeitige Nachrichtenlage verrät, dass wir in Zeiten von starken Gefühlsäußerungen leben. Populistischen Auffassungen erhalten zunehmend Einzug in das politische Geschehen und auch im sozialen Miteinander kommt es immer wieder zu impulsiven Reaktionen. All dies erscheint in keinem guten Licht: Politische Meinungen erweisen sich allzu oft als oberflächlich und sind darüber hinaus von Ausgrenzung und Missgunst geprägt. Auch im persönlichen Umgang können starke Emotionen negative Konsequenzen nach sich ziehen – etwa dann, wenn es im Zuge von Konflikten zu Anfeindungen oder Übergriffen kommt. Umgekehrt sind wir auch skeptisch gegenüber positiven emotionalen Regungen, da die aufkommende Euphorie mitunter den Blick für die Realität trübt. Aufgrund dieser Umstände erscheint es nur naheliegend, eine Abkehr von emotionalen Handlungsweisen anzustreben und für ein vernünftigeres Vorgehen zu votieren.
Bevor wir ein vorschnelles Urteil fällen, lohnt es sich jedoch genauer zu betrachten, um was es sich bei Emotionen handelt. Die Philosophin Martha Nussbaum macht in ihrem Buch „Zorn und Vergebung“ deutlich, dass Emotionen in engem Zusammenhang mit persönlichen Auffassungen, welche Aspekte im eigenen Leben von Bedeutung sind, stehen. Diese Aspekte umfassen zwischenmenschliche Beziehungen, aber auch (ökonomische) Güter und abstrakte Wertvorstellungen. All diese Dinge bilden gewissermaßen unseren individuellen Nahbereich. Geschehnisse, die unseren Nahbereich beeinflussen, rufen positive wie negative Emotionen hervor. Die Bandbreite der Emotionen reicht hierbei von der Zuneigung für einen liebgewonnenen Mitmenschen bis hin zur Wut über die mutwillige Beschädigung eines wertvollen Gegenstandes.
Hierdurch wird nun deutlich, dass Emotionen nicht willkürlich auftreten, sondern auf kognitiven Einschätzungen basieren. Die persönlichen Wertvorstellungen sowie die Wahrnehmung der Geschehnisse sind demnach für das emotionale Empfinden entscheidend. Häufig werden Emotionen von bestimmten Gefühlsregungen begleitet und geben Anlass für weitere Handlungen. Die Verärgerung über die abfällige Bemerkung eines Kollegen kann sich beispielsweise als sehr schmerzhaft erweisen und führt dazu, dass wir unser Befinden gegenüber anderen zum Ausdruck bringen.
Vor diesem Hintergrund zeigt sich nun, dass Emotionen aus zwei Gründen von Bedeutung sind. Zum einen können emotionale Regungen auf wertvolle Aspekte hinweisen und die Aufmerksamkeit auf Ereignisse richten, die diese in gewisser Weise beeinflussen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Zusammenhänge bislang der eigenen Aufmerksamkeit entzogen haben. So ist etwa das Beispiel einer Geschäftsinhaberin denkbar, die zunehmend Sorge verspürt und hierdurch auf eine problematische Veränderung im Geschäftsumfeld aufmerksam wird, die ihr zuvor entgangen ist. Zum anderen können Emotionen auch eine wichtige Motivationsgrundlage darstellen, da uns die entsprechenden Gefühlszustände zum Handeln veranlassen. Gerade negative Emotionen lassen uns häufig Maßnahmen gegen Beeinträchtigungen ergreifen, die wir zuvor noch klaglos hingenommen haben.
Aus den genannten Gründen erscheint es ratsam, emotionale Regungen nicht beiseite zu schieben, sondern den jeweiligen Empfindungen auf den Grund zu gehen. Hierdurch können wertvolle Erkenntnisse zu den Ursachen des eigenen emotionalen Empfindens gewonnen werden, die schließlich einen konstruktiven und in diesem Sinne rationalen Umgang mit den entsprechenden Geschehnissen ermöglichen. Mitunter mag dies auch die Erkenntnis sein, dass man sich über die Zusammenhänge getäuscht hat und das Geschäftsumfeld eigentlich keinen Anlass zur Sorge gibt. All dies soll nun nicht bedeuten, dass Gefühle offen zur Schau gestellt werden müssen. Entscheidend ist vielmehr, den zugrundeliegenden Emotionen auf die Spur zu kommen, da sich auf diese Weise – gerade auch im beruflichen Kontext – zahlreiche wertvolle Erkenntnisse gewinnen lassen.
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